Forschungsprogramm "Zielgerichtete Therapien"

(Molecularly Targeted Therapy, MTT)

Je besser Wissenschaftler:innen die molekularen Grundlagen von Tumorerkrankungen verstehen, umso erfolgreicher ist die Suche nach geeigneten Zielmolekülen für neue Therapieansätze. Im DKTK Programm Zielgerichtete Therapien werden solche Ansatzpunkte für Krebsmedikamente gesucht und molekulare Biomarker identifiziert. Anhand dieser Biomarker können Ärzte die Wirkungsweise und die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung im Patienten vorhersagen. Die Forschung des MTT Programmes liefert die erforderlichen Datenpakete, um neue Therapieansätze des DKTK so rasch wie möglich in die klinische Anwendung zu bringen.

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Bevor eine neue Behandlungsstrategie in die klinische Prüfung am Patient:innen kommt, muss diese in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit umfänglich beleuchtet werden. Dieses Wissen wird nicht durch die Grundlagenforschung bereitgestellt, sondern gezielt in sogenannten prä-klinischen Studien erarbeitet. In Modellen, die im Menschen auftretende Tumorerkrankungen möglichst genau nachbilden, werden dafür Untersuchungen zur Dosierung, Verabreichungsart und zu möglichen Nebenwirkungen durchgeführt. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannten Biomarker, anhand derer Ärzt:innen einschätzen können, welche Patienten von einem neuen Medikament oder einer neuen Therapie besonders profitieren oder welche Patienten ein höhere Risiko für Nebenwirkungen haben.

Wichtige Informationen erhalten Ärzt:innen außerdem durch Beobachtungen an Patient:innen, die im Rahmen klinischer Prüfungen von sogenannte „Präzisionsmedikamenten“ gewonnen werden. Diese Ergebnisse fließen ebenfalls in die verbesserte Planung der klinischen Anwendung eines neuen Behandlungsansatzes ein. Diese beiden Wege, vom Modell zu Patient:innen (forward translation) und von Patient:innen zurück zu verbesserten Modellen (reverse translation) werden durch das Programm MTT abgedeckt.

Innerhalb des DKTK konzentriert sich das Programm MTT auf die Bereiche der Validierung und Anwendung und greift hierfür Konzepte und Modelle aus anderen DKTK Programmen auf, wie z.B. dem Programm für Molekulare Mechanismen der Krebsentstehung oder dem Programm Molekulare Diagnostik, Früherkennung und Biomarkerentwicklung. Das Programm MTT bindet dabei international führende Studiengruppen sowie ein Portfolio stratifizierter klinischen Studien in die Arbeit des DKTK ein und integriert die Forschungsprogramme der Präzisionsonkologie. Ein Beispiel ist die Plattform INFORM („INdividualized Therapy FOr Relapsed Malignancies in Childhood and Adolescents“), die mit Unterstützung des DKTK entwickelt wurde. Das Prinzip der INFORM-Registerstudie ist es, bei Kindern und Jugendlichen mit zurückgekehrter oder fortschreitender Krebserkrankung, für die kein etabliertes Behandlungskonzept mehr zur Verfügung steht, eine Routinebiopsie durchzuführen und das dabei gewonnene Tumormaterial mit modernsten molekulargenetischen Methoden so genau wie heute möglich zu charakterisieren. Eine weitere Plattform, die mit den Aktivitäten des MTT Programms verknüpft ist, ist die Registerstudie DKTK MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication). Ziel des DKTK MASTER Registers ist, auf Basis umfassender Genanalysen von Tumorproben individueller Patienten Ansatzpunkte für molekular zielgerichtete Behandlungen zu identifizieren, die im betreffenden Patienten angewandt werden.

Die wichtigsten Zielsetzungen sind:

  1. Die Entwicklung von Strategien für rationale Kombinationstherapien mit dem Schwerpunkt maligne Krebserkrankungen bei Kindern. Bei Erwachsenen liegt der Schwerpunkt auf Pankreaskarzinom, Hirntumoren, Leukämien und Lymphome und dem Lungenkarzinom.
  2. Therapieansätze mit dem Fokus auf funktionelle Zellstadien und Tumor-Wirt-Interaktionen.
  3. Therapien, auf der Grundlage von epigenetischen Prozessen der DNA Transkription.
  4. Integrative klinische und molekulare Analyse von Patienten in klinischen Studien mit Präzisionsmedikamenten, die ein überraschend gutes oder überraschend schlechtes Ansprechen zeigen oder ein außergewöhnliches Nebenwirkungsprofil.

Zusammengefasst bildet das Programm Zielgerichtete Therapien die essentielle Verbindung zwischen Entdeckung und klinischer Prüfung von neuen medikamentösen Interventionsstrategien bei Krebserkrankungen. Es unterstützt die weitere Entwicklung von Ansätzen der DKTK Programme EOM und MDEB und fügt diesen Programmen wertvolle Aspekte aus klinischen Beobachtungen bis zur Entwicklung präklinischer Daten hinzu. Anhand dieser „Datenpakete“ kann die Wirksamkeit neuer Therapiekonzepte in ersten klinischen (Proof-of-Concept)-Studien überprüft werden.
 

Ausgewählte translationale Highlights

Präklinische Forschung:
1. Präzisionsonkologie-Programme für krebskranke Kinder, die einen Rückfall erleiden (INFORM/INFORM2) und Erwachsene (MASTER) bildeten die Grundlage für genomgestützte klinische Studien der Phase I/II mit rationalen Arzneimittelkombinationen, die auf strengen präklinischen Wirksamkeitstests im Rahmen von MTT (HD in Zusammenarbeit mit allen anderen DKTK Partnerstandorten) sowie auf Ansätzen der „reversen Translation“ – d. h. der Rückführung von klinischen Ergebnissen ins Labor – in MTT (Flüssigbiopsien, Erstellung von Patienten-Avatar-Modellen usw.) basieren. 102 Patientinnen und Patienten mit Tumoren, die nicht-kanonische BRAF-Mutationen aufweisen, wurden bisher im Rahmen des DKTK Netzwerks (MASTER-Programm) identifiziert, was zeigt, dass eine Rekrutierung für die vom DKTK finanzierte SORATRAM-Studie realisierbar ist (EudraCT: 2018-003237-16). Fünfunddreißig Prozent dieser Patientinnen und Patienten mit Nicht-V600E-BRAF-Mutanten wurden im Labor von T. Brummer (FR) als eindeutig Kinase-inaktivierend eingestuft (kloniert, funktionell und pharmakologisch analysiert) und erfüllten damit das Hauptkriterium für die Aufnahme in die Studie.

2. Verschiedene DKTK Forscherteams (HD und DD) lieferten im Rahmen von MASTER, zusätzlich zu den genomischen Daten, erste proteomische Analysen des Patientenmaterials (Wahjudi et al., Int J Cancer 2020). Ihre Forschung zeigte, dass die integrative Analyse von DNA-, RNA- und Protein-Daten die therapeutische Stratifizierung einzelner Patientinnen und Patienten verfeinern und damit die Erfolgsquote der Präzisionskrebstherapie erhöhen könnte. Dieser Ansatz wird nun auch für die INFORM-Plattform untersucht.

3. Unter der Leitung von H. Farin (F/MZ) als Seniorautor haben Frankfurter DKTK Forscherinnen und Forscher gemeinsam das erste "3D-Modell für CAR-vermittelte Zytotoxizität" unter Verwendung von Patienten-basierten kolorektalen Krebsorganoiden vorgestellt (Schnalzger et al., EMBO 2019).

4. Unter der Leitung von S. Pfister, M. Zapatka, M. Kool, D. Jones und P. Lichter (HD) haben Forschende des DKTK aus B, E/D, F/MZ, HD und M zu internationalen Bemühungen beigetragen, die Landkarte genomischer Veränderungen bei Krebserkrankungen im Kindesalter zu beschreiben (Gröbner et al., Nature 2018; Brabetz et al., Nat Med 2018).

Klinische Studien:
5. Unter der Leitung von O. Witt (HD) begann die Rekrutierung für eine internationale, Biomarker-gesteuerte Phase-I/II- Basket-Studie zur Behandlung von Kindern mit wiederkehrenden Krebserkrankungen mit einer Kombination aus Nivolumab plus Entinostat in vier verschiedenen Modulen (INFORM2-NivEnt; NCT03838042; van Tilburg et al., BMC Cancer 2020). Die Studie wird vom NCT Heidelberg finanziert und ist ein wegweisendes Beispiel für die Umsetzung von Forschungsergebnissen und präklinischen Entwicklungen durch DKTK Förderung in akademische Frühphasen-Studien im NCT Netzwerk.

6. N. von Bubnoff (FR) leitete die nationalen Bemühungen um eine prospektive Studie bei Patientinnen und Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren (GIST), in der die sequenzierte Plasma-ctDNA zur Überwachung der Behandlung und des Krankheitsverlaufs validiert wurde (Jilg et al., Int J Cancer 2019).

7. Die von C. Schmidt und M. Hummel (B) geleitete Studie ImbruVeRCHOP (NCT03129828) für 61-80 Jahre alte Menschen mit neu diagnostiziertem CD20+ diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom, ermöglicht durch vom DKTK finanzierte translationale Forschung, unterstreicht die enge klinische Zusammenarbeit der Partner im DKTK Konsortium und darüber hinaus (Denker et al., Int J Hematol Oncol 2019).

8. Die Phase I/II-Studie SEPION/AIO-PAK-0118 (NCT04257448, Leiter: J. T. Siveke (E/D)), die durch vom DKTK finanzierte Grundlagenforschung ermöglicht wird, untersucht die Durchführbarkeit und Wirksamkeit eines kombinierten epigenetischen und chemotherapeutischen Targetings, gefolgt von einem immunmodulierenden Konsolidierungskonzept bei unbehandeltem metastasierenden Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Stellvertretende Gesamtprogramm-Koordinatoren