22.08.2022
DruckenUmfangreiche molekulare Analyse kann Krebstherapie beim CUP-Syndrom verbessern
Das CUP-Syndrom (deutsch: Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor) macht etwa zwei bis vier Prozent aller Krebserkrankungen aus – in Deutschland sind pro Jahr etwa 10.000 Menschen betroffen. Gefunden werden Tumorabsiedlungen (Metastasen), obwohl kein Ursprungstumor im Körper entdeckt werden kann. Da es sich um eine metastasierte und damit fortgeschrittene und meist aggressiv wachsende Krebserkrankung handelt, haben Betroffene in der Regel eine schlechte Prognose. Neue Therapieoptionen werden dringend benötigt.
Die Zahl möglicher genetischer Variationen, die bei der Tumorentstehung und für die Therapie der Erkrankung eine Rolle spielen können, ist im Vergleich mit anderen Krebsarten besonders groß. In der vorliegenden Studie mit 70 Patient:innen wurde die Erkrankung daher mit der bislang umfangreichsten molekularen Analyse unter die Lupe genommen. Die Analyse beinhaltete eine Sequenzierung des vollständigen Tumorgenoms oder -exoms, der Tumor-RNA (Transkriptom), bestimmter chemischer Veränderungen der DNA (Methylom) sowie die Suche nach erblichen Krebsrisikofaktoren. Bei 80 Prozent der Betroffenen konnte ein molekulares Tumorboard – ein interdisziplinäres Team mit Expertise in Onkologie, Pathologie, Molekularbiologie, Bioinformatik und Humangenetik – auf dieser Basis eine Empfehlung für eine gezielte, auf den spezifischen genetischen Veränderungen beruhende Therapie machen. 35 Prozent dieser Patient:innen wurden gemäß der Empfehlung behandelt und wiesen eine deutlich verbesserte Kontrolle der Erkrankung im Vergleich zur Vortherapie auf (Verhältnis des progressionsfreien Überlebens, PFSr: 3,6).
Hanno Glimm, Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC Dresden und Abteilungsleiter am DKFZ, erklärt: „Unsere Studie verknüpft die bislang breiteste molekulare Analyse des CUP-Syndroms mit der konsequenten Empfehlung und Umsetzung von zielgerichteten Therapien. Die Ergebnisse zeigen, dass ein erheblicher Anteil von Patient:innen von diesem Vorgehen profitieren kann, auch in späten Stadien der Erkrankung oder nach mehreren vorangegangenen Therapien." Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg und Abteilungsleiter am DKFZ, sagt: „Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass jede:r CUP-Patient:in eine möglichst umfangreiche molekulare Analyse erhalten sollte und dass der derzeitige Therapiestandard, der in der Regel eine Chemotherapie als Behandlung vorsieht, überprüft werden muss. Wir empfehlen allen CUP-Patient:innen, sich an einem spezialisierten Krebszentrum vorzustellen, um die Möglichkeiten einer breiten molekularen Analyse und zielgerichteten Therapie abzuklären."
Weitere Studien unter NCT-Beteiligung sollen nun die Basis dafür schaffen, dass die Kosten für molekulare Diagnostik und zielgerichtete Therapien bei CUP-Erkrankten regelhaft von den Krankenkassen getragen werden. Lino Möhrmann, Erstautor der Studie und Clinician Scientist am NCT/UCC Dresden und gefördert durch das Else Kröner Forschungskolleg (EKFK), erklärt: „Wir sind sehr froh, dass wir an den NCT-Standorten bereits heute allen CUP-Patient:innen eine breite molekulare Diagnostik anbieten können. Viele Betroffene können wir zudem in aktuelle Studien einschließen. An den NCT-Standorten haben wir außerdem eine eigene Sprechstunde für CUP-Patient:innen etabliert, in der wir die bestehenden Möglichkeiten gemeinsam mit den Patient:innen intensiv abwägen, besprechen und auch umsetzen können."
MASTER-Programm
Die vorliegende Studie konnte im Rahmen des MASTER-Programms umgesetzt werden. In dem Präzisionsonkologie-Programm kooperieren neben dem DKFZ und den NCT-Standorten Heidelberg und Dresden auch die acht Partnerstandorte des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Das Programm zeigt auf Basis umfassender molekularer Analysen für Patient:innen, die an seltenen Krebsarten oder ungewöhnlich jung an Krebs erkrankt sind, neue Therapiemöglichkeiten auf. Da bei seltenen Krebserkrankungen die Patient:innengruppen in einzelnen Krebszentren meist zu klein für aussagekräftige Untersuchungen sind, arbeiten die Kooperationspartner des MASTER-Programms deutschlandweit mit insgesamt mehr als 100 Partnern eng zusammen. Seit dem Start des Programms 2012 wurden bis 2021 mehr als 3.500 Patient:innen in MASTER eingeschlossen.
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