02.11.2021

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Die proteomische Komponente des Tumorprofils

In der DKTK School of Oncology Online-Seminarserie zu Techniken in der translationalen Forschung zeigte Prof. Bernhard Küster, Leiter des Lehrstuhls für Proteomik und Bioanalytik (TUM) aus Freising bei München am 20. Oktober 2021 in einem spannenden Vortrag den Nutzen der Proteomanalyse für die Behandlung von Patienten.

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© B. Küster

Bereits für die Therapie bestimmter Erkrankungen zugelassene Medikamente können durch das sogenannte „Drug Repurposing“ die Behandlung weiterer Krankheiten ermöglichen. Diese Medikamente sind schon behördlich genehmigt. Daher kann, im Vergleich zur Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente, mit dem „Proof of Concept of Clinical Efficacy and Safety" für einen alternativen Verwendungszweck bereits mit Phase III Studien begonnen werden. Ohne Phase I- und II-Studien wird die Zeit bis zur behördlichen Zulassung eines Arzneimittels von ca. 15 auf 3 Jahre verkürzt.

Die Arbeitsgruppe von B. Küster untersuchte 243 klinisch zugelassene Kinaseinhibitoren, die das Wachstum von Tumorzellen hemmen (Klaeger et al, Science, 2017). Er wählte als Beispiel das bereits zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs, Nierenzellkarzinom und hepatozellulärem Karzinom verwendete Medikament Cabozantinib. Dieses besitzt daneben auch eine Wirkung auf FLT3-ITD – die Rezeptortyrosinkinase FLT3 mit einer häufigen Treibermutation –  in der akuten myeloischen Leukämie (AML) und könnte daher eine Rolle in der zukünftigen Behandlung von AML spielen. Die von B. Küster mitentwickelte, frei zugängliche Datenbank www.ProteomicsDB.org zeigt eine große Sammlung humaner und muriner massenspektrometrisch analysierter Proteomdaten.

Um die Wirkung von Medikamenten auf verschiedene Krebsarten vorherzusagen, untersuchten B. Küster und sein Team deren Wirkung auf Krebszelllinien. Sie konnten so z.B. durch eine hohe Phosphorylierungsrate des Progesteronrezeptors PGR die verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit bei Brustkrebs erklären (Frejno et al. NatCommun 2020).

In seinem Projekt TOPAS (Tumorproteom-Aktivitätsstatus) misst B. Küster im Labor die Protein-Aktivität in Tumorzellen mit quantitativer Massenspektrometrie. Kann dieser „TOPAS-Score“ Ärztinnen und Ärzten in der Klinik zusätzliche Informationen über ihre Patientinnen und Patienten liefern? Dieser Frage wird derzeit in den „Molekularen Tumorboards“, den interdisziplinären Tumorkonferenzen für die Beratung über die erfolgversprechendste Therapieoption einer Patientin oder eines Patienten, nachgegangen: Hier zeigte sich beispielsweise in genomischen Daten eine erhöhte ABL1-Expression, welche im Proteomik-Profil nicht bestätigt werden konnte. Um diese Unterschiede in den Daten interpretieren zu können, lernen Medizinerinnen und Proteomwissenschaftler derzeit voneinander. Ziel ist es, diese Erkenntnisse bei der Wahl der Behandlungsmöglichkeit zukünftig mit einbeziehen zu können.

 

Anna Vetter, Wissenschaftliche Koordinatorin DKTK München