09.07.2018
Drucken„So flexibel wie ein soziales Netzwerk“- In der MITO Datenbank finden Wissenschaftler Tumormodelle für die Krebsforschung
Bevor neue Wirkstoffe, Therapie- und Diagnoseansätze zur Behandlung von Krebs zum Patienten gelangen, werden sie in der präklinischen Phase an Zellkulturen und Tiermodellen auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hin getestet. Im Deutschen Krebskonsortium (DKTK) werden dafür spezielle Tier- und Zellkultursysteme entwickelt, deren Ergebnisse nach vorausgegangenen erfolgreichen Tests, in frühen klinischen Studien auf den Menschen übertragen werden.
„Die Entwicklung adäquater Tumormodelle ist sehr zeitintensiv und aufwendig“, erklärt Karin Müller-Decker, Leiterin der Einheit Tumormodelle am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Damit Wissenschaftler die wertvollen Testsysteme mit anderen Forschern teilen und weiterentwickeln können, hat sie gemeinsam mit Informatikern von DKTK und DKFZ die MiTO (Models in Translational Oncology) Online-Plattform für präklinische Tumormodelle entwickelt.
„Die Datenbank ist so angelegt, dass Wissenschaftler auf der ganzen Welt ihre Modelle unkompliziert einpflegen, managen, darauf verlinken und sich mit anderen Wissenschaftler darüber vernetzen können“, sagt Karin Müller-Decker.
Einige hundert Tumormodelle, Tier- und Zelllinien sind dort bereits eingetragen. Eine vergleichbare Datenbank für präklinische Modelle der Krebsforschung gibt es momentan nur in den USA. Die im Jahr 1996 vom Institut Jackson Laboratory gegründete Datenbank gilt derzeit als die umfänglichste Quelle für präklinische Mausmodelle, insbesondere genetisch veränderte. „Das Besondere an MiTO ist jedoch, dass Wissenschaftler dort die gesamte Breite von Modellen auch patientenindividuelle Tumormodelle und Zelllinien mit zugehörigen Daten standardisiert erfassen und finden können“, betont Karin Müller-Decker. Die sogenannten „Patient-derived Xenograft“ Modelle spiegeln die Tumoreigenschaften einzelner Patienten wider. In der modernen Krebsforschung werden sie daher unter anderem als Testsysteme für das personalisierte Medikamentenscreening eingesetzt.
„Unser Ziel war es, eine Plattform zu entwickeln, die den hohen Bedarf für präklinische Modelle in der klinisch-orientierten Krebsforschung aufgreift und zugleich nutzerfreundlich auf die wissenschaftliche Projektarbeit zugeschnitten ist“, erklärt Claudia Galuschka, Leiterin der Arbeitsgruppe Datenbanken am DKFZ. „Durch eine technische Schnittstelle, können Arbeitsgruppen die Datenbank mit ihren Labormanagementsystemen verknüpfen. Über das integrierte Messenger-System können Wissenschaftler direkt Kontakt mit potentiellen Partnern aufnehmen, Modelle mit Kollegen teilen und Gruppen bilden – wie in einem sozialen Netzwerk auch. Dabei hat der Wissenschaftler die volle Kontrolle, mit wem er seine Daten teilen möchte“, betont Claudia Galuschka. Auch Hintergrundinfos, wie die Labormodelle technisch entstanden sind, findet man in MiTO und kann darauf verlinken. Damit fungiert die Datenbank auch als Referenzsystem für wissenschaftliche Veröffentlichungen (s. z. B. Chiblak S., et al. K-Ras and cyclooxygenase-2 coactivation augments intraductal papillary mucinous neoplasm and Notch1 mimicking human pancreas lesions. Scientific Reports 6th June 2016. DOI:10.1038/srep29455).
Die Entwicklerinnen von MiTO hoffen jetzt auf breite Unterstützung der Krebsforscher beim Ausbau der Datenbank: „Damit Entdeckungen aus dem Labor möglichst schnell in die klinische Entwicklung gelangen, müssen wir in der Krebsforschung Ressourcen bündeln und stärker vernetzen. Unser Ziel ist es, MiTO zu einer geschätzten internationalen Plattform für Tumormodelle auszubauen“, sagt Karin Müller-Decker
Originalpublikation:
Galuschka, C., Proynova, R., Roth, B., Augustin, H. G., & Müller-Decker, K. (2017). Models in translational oncology: a public resource database for preclinical cancer research. Cancer research, 77(10), 2557-2563. DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-16-3099
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