13.02.2018
DruckenMicroRNAs steuern Krankheitsverlauf bei Leukämie
Die MHH-Arbeitsgruppe hat Professor Dr. Jan-Hennig Klusmann in der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie geleitet, der seit Januar 2018 Direktor der Klinik und Poliklinik für Pädiatrie I des Universitätsklinikum Halle (Saale) ist. Erstautor der Studie ist sein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter Raj Bhayadia, PhD, der Prof. Klusmann an das Universitätsklinikum Halle folgt.
Die Krebsmedizin hat sich in den vergangenen Jahren einer ganz neuen Wirkstoffklasse zugewendet: Mini-Ribonukleinsäuren, auch microRNAs (miRNAs) genannt, sind kleine regulatorische Moleküle in unseren Zellen, die an der Abschaltung von Genen auf verschiedenen Ebenen beteiligt sind. „Bestimmte miRNAs können mehrere an der Krebsentstehung beteiligte Gene gleichzeitig inaktivieren und zeigten in frühen klinischen Studien nur wenige Nebenwirkungen. Deshalb sind sie für die Krebstherapie so interessant“, erklärt Michael Rieger vom DKTK in der Abteilung für Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Frankfurt.
Durch die gemeinsame Anstrengung von Forschern der MHH unter Leitung von Klusmann, des Universitätsklinikums Ulm unter der Leitung von Florian Kuchenbauer und des DKTK unter Leitung von Michael Rieger gelang es, die Rolle der miRNA-193b bei Akuter Myeloischer Leukämie (AML) von Kindern und Erwachsenen zu entschlüsseln. In gesunden Zellen unterdrückt die miRNA-193b die Entstehung von Leukämien. Das miRNA-193b kodierende Gen gehört zu den sogenannten Tumorsuppressorgenen, die in gesunden Stammzellen für eine kontrollierte Zellteilung sorgen und in entarteten Stammzellen, den Tumorzellen, das Signal zur Selbstzerstörung geben. Die Tumorzellen schalten die Schutzfunktion der miRNA jedoch teilweise oder ganz ab, um sich ungehemmt teilen zu können.
Hinweise, dass der Gehalt der miRNA-193b den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflusst, fanden die Wissenschaftler in den Blutproben von 348 AML-Patienten. Bei hohem miRNA-193b-Gehalt zeigten die Patienten einen deutlich günstigeren Krankheitsverlauf und hatten bessere Heilungschancen nach einer Chemotherapie und Stammzelltransplantationen. „Die miRNA-193 ist somit ein vielversprechender Biomarker für die personalisierte Krebstherapie bei AML“, sagt Florian Kuchenbauer. „Anhand eines Bluttests können wir schon im Vorfeld einschätzen, welche Patienten von einer vergleichsweise risikoreichen Stammzelltransplantation profitieren können.“
Auch für die Behandlung von AML könnte miRNA-193b künftig eine Rolle spielen, wie die Studie zeigte: In Mäusen konnten die Wissenschaftler die Teilung der Krebszellen durch die Aktivierung der miRNA-193b deutlich verlangsamen. Umgekehrt entwickelten Mäuse, die keine miRNA-193b produzierten, besonders aggressive Formen von AML.
Das Besondere dabei sei, dass die miRNA gleich vier Gene inaktiviere, die auch an der Bildung von Therapieresistenzen beteiligt seien, erläutert Klusmann: „Die miRNA greift die Leukämiezellen an mehreren Punkten gleichzeitig an, und die Zellen sterben ab, ohne dass sich Resistenzmechanismen ausbilden können. Wir sind daher optimistisch, diese miRNA als neues Therapeutikum gegen kindliche und erwachsene AML für die klinische Anwendung weiterentwickeln zu können“, sagt er.
Originalpublikation:
Bhayadia R. et al., The endogenous tumor suppressor microRNA-193b: therapeutic and prognostic value in acute myeloid leukemia. In: Journal of Clinical Oncology. Advance online publication 13th February 2018; DOI:10.1200/JCO.2017.75.2204