05.07.2023

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RNA-Ringe tragen vermutlich zur Entstehung von Krebs bei Kindern bei

Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) haben neue Erkenntnisse zur Rolle von RNA-Ringen im Neuroblastom, einem Tumor des Kindesalters, gewonnen. Hier beantworten sie Fragen zu ihren Forschungsergebnissen.

 

Zu sehen sind Neuroblastom-Zellen mit mindestens einen RNA-Ring (rot), der fast ausschließlich außerhalb des Zellkerns (blau) vorliegt.
Fast jede Neuroblastom-Zelle enthält mindestens einen RNA-Ring (rot), der fast ausschließlich außerhalb des Zellkerns (blau) vorliegt. © Charité | Julian Naderi & Steffen Fuchs

Welche wissenschaftliche Fragestellung liegt Ihrer Studie zugrunde?

Das Neuroblastom ist eine Tumorerkrankung, die bei sehr jungen Kindern auftritt. Vor allem Hochrisikofälle gehen leider mit einer schlechten Prognose einher. Im Gegensatz zu Tumoren bei Erwachsenen gibt es beim Neuroblastom relativ wenige Veränderungen der DNA, wie Mutationen, die die Tumorentstehung erklären könnten. Wir haben deshalb untersucht, ob stattdessen RNA-Ringe (circRNA) im Neuroblastom verändert sind. Das sind regulatorische RNA-Moleküle, die die Funktion von Genen kontrollieren und daher eine wichtige Rolle für das Wachstum von Tumoren spielen können.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben Tumorproben von mehr als 100 Kindern mit Neuroblastom mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung analysiert, so konnten wir alle RNAs eines Tumors gleichzeitig untersuchen. Diese haben wir dann mit Proben von verschiedenen anderen Tumorerkrankungen und mit gesundem Gewebe verglichen, um solche RNAs zu finden, die besonders stark im Neuroblastom gebildet werden und daher dem Tumor einen möglichen Wachstumsvorteil verleihen könnten. In kultivierten Zellen im Labor haben wir anschließend untersucht, wie genau diese RNAs zum Wachstum des Tumors beitragen könnten.

Was haben Sie herausgefunden?

Besonders aggressive Neuroblastome verfügen über mehrere Kopien des Gens MYCN. MYCN ist ein bekannter Treiber des Neuroblastoms und geht mit einem ungünstigen Krankheitsverlauf einher. Wir konnten zeigen, dass diese Tumoren weniger RNA-Ringe bilden. Unsere Daten, auch bei einer weiteren kindlichen Tumorerkrankung (dem Medulloblastom), weisen darauf hin, dass MYCN offenbar grundsätzlich die Bildung von RNA-Ringen unterdrückt. Wir haben aber auch eine Gruppe von RNA-Ringen identifiziert, die im Neuroblastom verstärkt gebildet wird. Einer dieser Ringe fördert das Wachstum und das Überleben von Neuroblastom-Zellen.

Was hat Sie überrascht?

Dass das MYCN-Gen die Bildung von RNA-Ringen unterdrückt, war zunächst sehr überraschend für uns, da MYCN generell eher die Bildung von RNAs in der Zelle erhöht. Wir konnten jedoch aufklären, dass die Hemmung von RNA-Ringen offenbar über einen Umweg, nämlich die Regulation eines Proteins, geschieht.

Welches Fazit können Sie ziehen?

Unsere Studie trägt zum generellen Verständnis der Entstehung des Neuroblastoms bei und hebt die Bedeutung von regulatorischen RNAs hervor. Die RNA-Ringe, die im Neuroblastom verstärkt gebildet werden, könnten als therapeutischer Angriffspunkt für zielgerichtete RNA-Therapien dienen. Dazu werden wir jetzt auf die Suche nach den vielversprechendsten Kandidaten gehen. Außerdem wollen wir eine Methode entwickeln, mit der wir anhand der RNA-Ringe im Blut von Kindern mit Neuroblastom ablesen können, ob diese möglicherweise einen Rückfall der Erkrankung erleiden könnten und daher eine Anpassung ihrer Therapie benötigen.


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