13.01.2023
DruckenKrebs bei Kindern: Neue Behandlungschancen durch Medikamententests an Minitumoren
Das "Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg" (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).
Resistenzen gegenüber Krebsmedikamenten gehören in der Kinderonkologie zu den drängendsten Problemen. Ein Fünftel aller an Krebs erkrankten Kinder erleidet nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung einen Rückfall und die Standardtherapien schlagen nicht mehr an.
„Ärztinnen und Ärzten bleibt dann meist nur wenig Zeit, um den Krebs erneut zu bekämpfen. Im Durchschnitt sind das nur wenige Monate", erläutert Olaf Witt, Direktor am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), Leiter der Klinischen Kooperationseinheit pädiatrische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). Das am KiTZ geleitete Programm INFORM will krebskranken Kindern weltweit so rasch wie möglich neue Behandlungschancen eröffnen, wenn der Krebs zurückkehrt oder es keine etablierten Therapien gibt. Seit dem Jahr 2015 wurden mehr als 2500 junge Patient:innen von 100 Zentren aus 13 Ländern in die Registerstudie aufgenommen.
Die Heidelberger Ärzte entschlüsseln das Genom des Tumors, um nach molekularen Schwachstellen zu suchen, die medikamentös angreifbar sind. Eine kleine Probe des Tumors wird außerdem am Leben erhalten, um die Wirksamkeit möglichst vieler Medikamente im Labor testen zu können. Dass diese Minitumoren im Labor im Hochdurchsatzverfahren zuverlässig eingesetzt werden können, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen, zeigt eine Studie.
Aus den Krebs-Gewebeproben von 132 Patient:innen, die an unterschiedlichen Krebszentren in Europas behandelt werden, kultivierte das Ärzt:innen- und Wissenschaftler:innenteam um Olaf Witt Minitumoren und unterzog sie dem speziell für INFORM entwickelten Medikamententest. Bis zu 78 Medikamente, die bereits zugelassen sind oder sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden, konnten an den jeweiligen Proben parallel getestet werden. Die Ergebnisse der Tests bestätigten zum einen die durch Genomanalyse identifizierten molekularen Angriffsziele: In Tumorproben mit bekannten krebstreibenden genetischen Veränderungen wie BRAF, ALK, MET und NTRK töteten Therapeutika, die sich gegen diese Ziele richten, die Minitumoren auch am wirksamsten ab.
Darüber hinaus fand das Team für 80 Prozent der Proben, bei denen im Tumorgenom keine therapeutisch relevante molekulare Schwachstelle gefunden wurde, wirksame Medikamente. „Das heißt, die Medikamentenprüfung ist zusätzlich zur Tumorerbgut-Entschlüsselung eine weitere Möglichkeit, um alternative Behandlungsmöglichkeiten für die Patient:innen zu identifizieren", betont Olaf Witt.
Medikamente an Minitumoren zu prüfen, statt wie bislang an einfachen Zellkulturen, oder Mäusen, auf die Tumoren der Patient:innen übertragen wurden, sei ein großer Fortschritt, erklärt Ina Oehme, von INFORM: Um die Tumoren in Miniorganen mit mehreren Gewebeschichten oder in Mäusen wachsen zu lassen, seien normalerweise mehrere Monate notwendig. „Durch das neue Verfahren konnten wir die Zeit vom Probeneingang bis zum Ergebnis für die Patient:innen auf drei Wochen verkürzen", sagt Oehme. Das Verfahren ließe sich zudem für unterschiedliche Krebserkrankungen, darunter Knochen- und Weichteiltumoren, sowie Hirntumoren und andere Tumorarten anwenden und funktioniere auch bei kleineren Gewebeproben, in manchen Fällen sogar bei Feinnadelbiopsien.
Ein wichtiges künftiges Ziel von INFORM wird es sein, die Ergebnisse aus dem Labor mit dem klinischen Verlauf der Patient:innen zu vergleichen, um die Zuverlässigkeit der Vorhersagen zu untersuchen. „Unsere ersten klinische Beobachtungen bei Kindern weisen darauf hin, dass die Tests im Labor Resistenzbildungen bei den jungen Patient:innen vorhersagen können", sagt Olaf Witt. „Wir hoffen, dass die jetzt geplanten klinischen Untersuchungen die Zuverlässigkeit des Verfahrens bestätigen. Ist das der Fall, so könnten wir anhand der Labortests sehr viel mehr Kindern eine neue Behandlungschance eröffnen."
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