31.01.2019

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Psychiatrisches Medikament als neuartige Therapie gegen Blutkrebs

Eine neuartige Behandlung mit einem Antidepressivum könnte Leukämiepatienten mit Resistenzen eine neue Behandlungsmöglichkeit geben. Wissenschaftler des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Frankfurt und am Universitätsklinikum Freiburg haben aufgedeckt, wie das Medikament Leukämiezellen wieder zu normalen Blutzellen werden lässt. Die Erkenntnisse, die in dem Fachmagazin Leukemia veröffentlicht wurden, fließen jetzt auch in eine klinische Studie zur Behandlung von Leukämiepatienten ein.

Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten und Kliniken in Deutschland.

Ausreifung von Leukämiezellen aus Mäusen unter Behandlung mit Tranylcypromin. Nach vier Tagen Behandlung mit Tranylcypromin zeigen diese aggressiven Leukämiezellen von Mäusen (links) eine deutliche Ausreifung (rechts). (© T. Berg/Uniklinikum Frankfurt)

Die Akute Myeloische Leukämie (AML) ist vor allem eine Erkrankung von älteren Patienten. Trotz verbesserter Therapien bleiben Resistenzen bei dieser Form von Blutkrebs ein drängendes Problem, so dass neue Medikamente dringend benötigt werden. Bei den Betroffenen kommt es zu einer gesteigerten Vermehrung von unreifen Zellen im Knochenmark, die nicht mehr zu normalen Blutzellen ausreifen können.

Ein zentrales Ziel der Krebsforscher ist daher, Leukämiezellen wieder ausreifen zu lassen und so die Erkrankung zu heilen. Bei der Ausreifung von Blutzellen spielen auch sogenannte epigenetische Faktoren wie das Enzym Lysin-spezifische Demethylase 1 (LSD1) eine wichtige Rolle. LSD1 beeinflusst die Verpackung der DNA und verändert damit das Ablesen entscheidender Gene. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass LSD1-Hemmer die Ausreifung von Leukämiezellen herbeiführen können, insbesondere wenn man die Behandlung mit dem Vitamin A-Abkömmling ATRA kombiniert. Warum diese Therapie nur bei bestimmten Formen der AML anschlägt, blieb jedoch lange unklar.

In ihrer durch das Deutsche Krebskonsortium (DKTK) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Forschungsarbeit ist dem Team um Tobias Berg der Medizinischen Klinik II – Hämatologie / Onkologie des Universitätsklinikum Frankfurt unter Leitung von DKTK Standortsprecher Hubert Serve ein großer Erfolg bei der Aufklärung der Wirkung von LSD1-Hemmern gelungen. An den Projektarbeiten waren außerdem zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus den Gruppen von Michael Lübbert, Roland Schüle und Manfred Jung vom DKTK Standort Freiburg, sowie Cyrus Khandanpour aus Münster beteiligt.

In der vorliegenden Arbeit zeigte das Team, dass die Blockade des Regulators LSD1 mit Medikamenten die Aktivität bestimmter genregulatorischer Faktoren steigert, die für die Ausreifung der Zellen wichtig sind. Leukämiezellen von Mäusen reiften durch die Behandlung wieder zu Zellen heran, welche normalen Blutzellen ähneln. Außerdem entdeckte das Forscherteam, dass nur bestimmte LSD1-Hemmer diesen Effekt haben: Die beste Wirkung beobachteten die Wissenschaftler mit chemischen Abkömmlingen von Tranylcypromin (TCP). TCP selbst ist dabei schon als psychiatrische Behandlung gegen Depressionen zugelassen und blockiert auch LSD1.

Ob das Medikament  auch bei AML Patienten wirksam  und gut verträglich ist, wird im Rahmen der TRANSATRA-Studie untersucht, welche Teil der standortübergreifenden DKTK Initiative LACID (LSD1 als Antitumor-Target in der Klinik und der Wirkstoffentwicklung) ist. „Die neuen Erkenntnisse unserer aktuellen Arbeit sind für die klinische Entwicklung sehr wertvoll und werden jetzt in die klinische Studie TRANSATRA einfließen. So werden wir hoffentlich in Zukunft vorhersagen können, welche Patienten auf die Therapie ansprechen“, sagt Tobias Berg. Der Ansatz der TRANSATRA Studie besteht darin, den LSD1-Inhibitor Tranylcypromin (TCP) mit ATRA und einer niedrig-dosierten Chemotherapie zu kombinieren. Die TRANSATRA-Studie (EudraCT Nr.: 2014-001479-30) wird von der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg (Projektleiter Michael Lübbert) ebenfalls im Rahmen des DKTK koordiniert. Sie wird in Freiburg, in Frankfurt und an 4 weiteren onkologischen Spitzenzentren in Deutschland durchgeführt. Inzwischen konnte die Phase I beendet werden. Nun werden weitere Teilnehmer gesucht, um die Wirksamkeit des Medikamentes beim Menschen zu prüfen.

 

Originalpublikation:

Barth J, Abou-El-Ardat K, Dalic D, Kurrle N, Maier AM, Mohr S, Schütte J, Vassen L, Greve G, Schulz-Fincke J, Schmitt M, Tosic M, Metzger E, Bug G, Khandanpour C, Wagner SA, Lübbert M, Jung M, Serve H, Schüle R & Berg T. LSD1 inhibition by tranylcypromine derivatives interferes with GFI1-mediated repression of PU.1 target genes and induces differentiation in AML. Leukemia, in press.