08.11.2017
DruckenFehlgesteuerter Proteinabbau fördert Leukämien und Hirntumoren
Die Akute Myeloische Leukämie, eine aggressive Form von Blutkrebs, kehrt nach zunächst erfolgreicher Therapie sehr häufig zurück. Dafür werden therapieresistente Stammzellen verantwortlich gemacht. Wissenschaftler um Andreas Trumpp, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und HI-STEM gGmbH*, wollten den molekularen Hintergrund dieser Resistenz verstehen. Dazu verglichen sie in Patientenproben die Proteinzusammensetzung von AML-Stammzellen und Leukämiezellen ohne Stammzelleigenschaften.
Dabei fielen in den Stammzellen auffällig hohe Spiegel des Enzyms BCAT1 auf, die verdächtigerweise während eines Krebsrückfalls noch weiter anstiegen. Das sahen die Forscher als Hinweis darauf, dass BCAT1 mit der Therapieresistenz in Verbindung stehen könnte.
Krebsforscher hatten das Enzym BCAT1, das für den Abbau bestimmter Proteine aus der Nahrung zuständig ist, bereits seit längerem im Verdacht, bei der Entstehung bösartiger Tumoren eine Rolle zu spielen. So hatte das Team um Bernhard Radlwimmer vom DKFZ kürzlich erst gefunden, dass eine Überproduktion von BCAT1 die Aggressivität von bösartigen Hirntumoren und von Brustkrebs steigert.
Die beiden Forschungsgruppen schlossen sich nun zusammen, um herauszufinden, wie BCAT1 die Therapieresistenz der Leukämiestammzellen beeinflusst. Dabei kamen sie einem bislang unbekannten Prozess auf die Spur, in dem ein zentrales Molekül des Energiestoffwechsels eine entscheidende Rolle spielt. BCAT1 senkt den Spiegel dieses Schlüsselmoleküls, was dazu führt, dass das Erbgut vermehrt mit chemischen Markierungen versehen wird.
„Diese winzigen Methylgruppen, die an die DNA angeheftet werden, entscheiden darüber, welche Gene aktiv sind oder aber stumm bleiben und haben dadurch einen immensen Einfluss auf alle Zellfunktionen", sagt Simon Raffel, einer der Erstautoren der Studie.
Dieses Ergebnis ließ die beiden DKFZ-Teams aufhorchen. Denn bei weiteren 30 Prozent der Fälle von Akuter Myeloischer Leukämie führen Defekte in anderen Enzymen zu derselben Konsequenz: Sie steigern die krebsfördernde Methylierung des Erbguts. Die AML ist für ein extrem heterogenes Muster an genetischen Veränderungen bekannt. Die fehlgesteuerte Methylierung jedoch, mit ihren drastischen Folgen für die gesamte Zelle, ist offenbar ein gemeinsames Kennzeichen dieser bösartigen Erkrankung.
Die Erkenntnis, dass BCAT1 als Treiber der krebsfördernden Methylierung in AML-Stammzellen und anderen Krebsstammzellen funktioniert, eröffnet neue therapeutische Optionen: „Eine Blockade des Enzyms mit einem zielgerichteten Wirkstoff könnte die Methylierung des Erbguts normalisieren und damit die Krebsausbreitung und die Therapieresistenz eindämmen", sagt Andreas Trumpp.
*Das Heidelberger Stammzellinstitut HI-STEM gGmbH ist eine Partnerschaft des DKFZ und der Dietmar Hopp Stiftung.
Simon Raffel, Mattia Falcone, Niclas Kneisel, Jenny Hansson, Wei Wang, Christoph Lutz, Lars Bullinger, Gernot Poschet, Yannic Nonnenmacher, Andrea Barnert, Carsten Bahr, Petra Zeisberger, Adriana Przybylla, Markus Sohn, Martje Tönjes, Ayelet Erez, Lital Adler, Patrizia Jensen, Claudia Scholl, Stefan Fröhling, Sibylle Cocciardi, Patrick Wuchter, Christian Thiede, Anne Flörcken, Jörg Westermann, Gerhard Ehninger, Peter Lichter, Karsten Hiller, Rüdiger Hell, Carl Herrmann, Anthony D. Ho, Jeroen Krijgsveld, Bernhard Radlwimmer, and Andreas Trumpp: BCAT1 restricts αKG levels in AML stem cells leading to IDHmut-like DNA hypermethylation
Nature 2017, DOI: 10.1038/nature24294