22.08.2018

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Minidärme zeigen Ursache für seltene Durchfallerkrankung

Wissenschaftler des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt etablieren neuartige dreidimensionale Darm-Zellkulturen als Krebsmodell, um Ursachen und Therapiemöglichkeiten bei Darmkrebs zu erforschen. In Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen zeigen sie jetzt, dass diese sog. Organoide auch zur Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen und neuer Diagnose- und Therapieansätze bei anderen schwerwiegenden Darmerkrankungen genutzt werden können.

Minidärme aus Mauszellen: Das Konfokalmikroskopische Bild zeigt den Bürstensaum (rot), die Mikrovilli (Grün) und die Zellkerne in blau. Im Zentrum des Organoids sind die MVI-Vesikel sichtbar. © Henner Farin, GSH

Microvillus Inclusion Disease (MVID) ist eine angeborene schwerwiegende Durchfallerkrankung, bei der die Nährstoffaufnahme über die Darmzotten geschädigt ist. Bei den Betroffenen ist der oberflächenvergrößernde Bürstensaum im Darm (sog. Mikrovilli) möglicherweise entweder schon bei der Geburt nicht vorhanden oder geht in den ersten Lebenswochen verloren. Dies hat fatale Auswirkungen für Neugeborene und es bestehen nur begrenzte Therapiemöglichkeiten. Als zugrunde liegenden Mechanismus haben frühere Studien bereits einen Defekt im zellulären Transport von Mikrovilli-Vesikeln (MVI) identifiziert, kleine intrazelluläre Bläschen, die für den Stofftransport in der Zelle verantwortlich sind. Bislang fehlte es jedoch an geeigneten zellulären Modellen, um die Ursachen dieses Defekts zu untersuchen. Denn die intrazellulären Mikrovillus-Einschlüsse (sog. Microvillus Inclusions), das Kennzeichen dieser Krankheit, können in Zellkultur nur selten beobachtet werden. Im Rahmen einer internationalen Kollaboration haben Wissenschaftler des Deutschen Krebskonsortiums am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt dafür nun ein 3D-Darmorganoid-Kulturmodell zur Untersuchung von MVID genutzt. Die Forscher entdeckten, dass Mutationen in dem Protein MUNC18-2/STXBP2 unterschiedliche Ausprägungen von MVID verursachen. In Organoiden, Minidärmen, die aus Mauszellen dreidimensional gezüchtet werden, konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die unterschiedlichen Schweregrade der Krankheit mit dem Differenzierungsgrad der  Darmzellen zusammenhängen. Mit Hilfe von Video-Mikroskopie konnte der Prozess der MVI-Bildung zum ersten Mal in Echtzeit visualisiert werden. Dies zeigte einen unerwarteten Mechanismus der MVI Bildung im Zytoplasma oder durch Einschluss von Plasmamembranen auf. Dieses Kulturmodell könnte die Diagnose von MVID-Fällen künftig verbessern und dazu dienen therapeutische Ansätze mittels patientenspezifischen Organoid-Modellen zu testen.

 

Originalpublikation
M.H. Mosa et al., 2018. Dynamic formation of microvillus inclusions during enterocyte differentiation in Munc18-2 deficient intestinal organoids. In: Cellular and Molecular Gastroentorology and Hepatology. Online Publikation: 14. August 2018. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2018.08.001